Mittwoch, 23. Mai 2012

Ist der Papst katholisch? Hans Küng und der Sedisvakantismus


1. Wenn man auf eine als überflüssig empfundene Frage, deren Antwort von vornherein klar erscheint, eine spaßig gemeinte rhetorische Gegenfrage erwidern will, sagt man bisweilen: „Ist der Papst katholisch?“ Es mag überraschend und vielleicht auch befremdlich erscheinen, dass es Zeitgenossen gibt – wenn auch nur eine sehr geringe Zahl – die auf diese Frage im Brustton der Überzeugung „Nein“ antworten würde. Man nennt sie „Sedisvakantisten“, da sie der Meinung sind, dass seit 1958 der Stuhl Petri unbesetzt, d. h. sedisvakant sei. Warum? Weil Johannes XXIII. durch die Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils und dessen Beschlüsse zum Häretiker geworden sei, und ein solcher könne nicht rechtmäßiger Papst sein. Da seine Nachfolger allesamt das Zweite Vatikanum nicht widerrufen hätten, seien eben alle Päpste von Paul VI. bis zu Benedikt XVI. nur Scheinpäpste gewesen. Da die Änderungen der Weiheformulare die nach diesen erteilten Weihen ungültig gemacht hätten, seien sämtliche sakramentale Handlungen der katholischen Kirche, die meist abschätzig als „Vatikanum II-Sekte“ bezeichnet wird, ebenfalls null und nichtig. Es gibt sogar Gruppierungen und Kleinstgruppen, die dem Problem der empfundenen Sedisvakanz dadurch begegnen wollen, indem sie aus ihren Reihen selbst einen Papst wählen. So kommt es, dass es derzeit eine ganze Reihe von „Gegenpäpsten“ gibt, auf deren namentliche Exkommunikation von seiten des Vatikans meistens verzichtet wird, da ihre Anhängerschaften über den Promillebereich nicht hinausgehen und ihr Widerhall in der Öffentlichkeit praktisch nicht spürbar ist.
 
2. Ein reichlich skuriles Weltbild, werden Sie sagen. Es scheint der Versuch zu sein, das eigene Missempfinden an den nachkonziliaren Entwicklungen dahingehend zu lösen, dass man der als verantwortlich angesehenen Hierarchie die Kompetenz, ja mehr noch deren „Katholischsein“ abspricht und so die Legitimation erhält, als Vertreter der „Wahren katholischen Kirche“ eigene Strukturen aufzubauen, in deren Rahmen die Kirche vor ihrem Untergang gerettet werden kann. 

3. Interessant ist nun, dass sich solche Gedanken nicht ausschließlich am extremen rechten Flügel der Kirche  (und darüber hinaus) zu finden scheinen, sondern auch in dessen linkem ideologischen Widerlager. In einer Presseaussendung hat der bekannte Theologe Hans Küng den Papst nachdrücklich vor einer Wiedereingliederung der Priesterbruderschaft St. Pius X. gewarnt (http://www.swp.de/ulm/nachrichten/politik/FREMDE-FEDER-HANS-KUeNG-Papst-provoziert-Ungehorsam;art4306,1473550). Der gegenwärtige Papst drohe dann selbst zum Schismatiker zu werden und die Folge hiervon sei: 
Ein schismatischer Papst verliert gemäß derselben Kirchenrechtslehre sein Amt. Zumindest kann er nicht auf Gehorsam rechnen. Papst Benedikt würde also die schon überall wachsende Bewegung des "Ungehorsams" gegenüber einer Hierarchie, die dem Evangelium ungehorsam ist, fördern. Für das schwere Zerwürfnis und den Unfrieden, den er damit in die Kirche hineintrüge, hätte er allein die Verantwortung.
Auch wenn hier der Papst nach Hans Küng durch eine etwaige Rekonziliation besagter Bruderschaft nicht zum Häretiker, sondern "nur" zum Schismatiker zu werden drohe, würde er sein Amt, zumindest aber den Anspruch auf Gehorsam verlieren. Man kann hier sehr schön die Ähnlichkeit der Argumentationsstrukturen erkennen: Der Papst tut etwas, was der eigenen Überzeugung – hier die Rekonziliation, dort die Beschlüsse des Zweiten Vatikanums – zuwiderläuft, so dass er seinen Anspruch auf den Stuhl Petri verliert. In beiden Fällen dient dieses Denkmuster als Legitimation für den eigenen Ungehorsam gegenüber päpstlichen Entscheidungen und Positionen, der gleichsam zur Notwendigkeit, zum Gebot der Stunde wird.

4. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Hans Küng in seiner Argumentation offenbar aus Denkmuster zurückgreift, die ihm sonst fern liegen mögen. So behauptet er im ersten Abschnitt seiner Pressemitteilung, die von Erbischof Lefebvre im Jahre 1988 gespendeten Bischofsweihen seien ungültig. Es ist interessant, dass Hans Küng zB. in seinem Einsatz für die Abendsmahlsgemeinschaft zwischen der katholischen Kirche und den reformatorischen Gemeinschaften Kategorien von „Gültig-Ungültig“ ausklammert, ja ausklammern muss, wird doch das Abendmahl der Reformation aufgrund des sogenannten „defectus ordinis“, d. h. der fehlenden Weihevollmacht der evangelischen Amtsträger, katholischerseits nicht anerkannt. Bemerkenswert ist noch ein zweiter Aspekt: So unterschiedliche Ideale, Kirchenbilder und Intentionen die Vertreter sedisvakantistischer Positionen und Hans Küng im einzelnen auch vertreten mögen, in der Quintessenz ihrer Ideenwelt scheinen sie sich zu treffen, eine fürwahr unfreiwillig komisch anmutende „coincidentia oppositorum“ (Zusammenfall der Gegensätze).

4 Kommentare:

  1. Ah, quam bene convenit me minus hora in America hanc quaestionem disputavisse!

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  2. Darf man hier auch auf Deutsch kommentieren?
    Ach, ich machs einfach mal:
    Schöner Beitrag. Wie im Politischen treffen sich hier Linke und Rechte in den Extremen wieder und sind sich im Grunde gleich.
    Des Weiteren ein herzliches Willkommen in der Blogoezese.

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  3. In der Tat...sehr bemerkenswert... ;-)

    Auch von mir ein herzliches Willkommen!

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  4. Fast alle Argumente der Sedisvakantisten werden hier verschwiegen oder verzerrt dargestellt. Ebenso wird verschwiegen, daß es allein auf der Ebene der Priester seit 1965 etwa 10.000 Sedisvakantisten gibt bzw. gegeben hat, daß der Sedisvakantismus von 100en excellenten Theologen unwidersprochen begründet wurde und daß das Bischofsamt im Sedisvakantismus in apostolischer Sukzession weitergegeben wird, während es in der Konzilskirche mit absoluter Sicherheit erloschen ist.
    Da es erloschen ist, kann es dort (Sekte des II. Vatikanums) auch nie und nimmer wieder aufleben. Der aktuelle Papstdarsteller ist nicht einmal geweihter Priester (wie es Ratzinger noch war) und ist wie man seit 1 Jahr täglich hören kann, etwa so katholisch wie Erich Homecker.
    Was dieses Problem mit rechts und links zu tun haben soll, bleibt das Geheimnis des Blog-Autors. Sedisvakantist kann man im Übrigen nur sein, wenn man katholisch ist, was man von Küng ganz gewiß nicht sagen kann. Daß Kirchenfeinde wie Küng binnen der Kirche ein Widerlager zu orthodox Gläubigen bilden, ist eine höchst alberne These, nahe der kompletten Debilität.

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