Wer eine Kirche betritt, spürt intuitiv: das ist
ein geheiligter Raum, ausgesondert aus der Unruhe und Betriebsamkeit der
Straßen, den Zwecken von Kommerz und Konsum entzogen, geheiligt vielmehr,
zunächst durch die Konsekration, geheiligt aber auch durch die vielen Beter,
die hier verweilt haben, bittend, dankend, klagend, lobend. Geheiligt durch
unzählige Taufen, zahllose Beichten, Trauungen, Firmungen, geheiligt durch
Volksmissionen, Andachten, Prozessionen, Stillmessen und feierliche Hochämter.
Wer einen solchen Raum betritt, spürt, wie die Steine und Bilder all diese
Gebete über Jahrzehnte oder Jahrhunderte hinweg in sich quasi aufgesogen haben
und zugleich als Gebetsatmosphäre wieder ausströmen. Wer einen solchen Raum
betritt, spürt: Ich stehe nicht allein vor Gott, vor mir hat schon eine
unermessliche Schar von Betern vor Gott gestanden und gekniet, ich trete ein in
einen Raum des Gebetes, der mir vorgegeben ist, der mich umschließt und
umfängt, mein persönliches Beten trägt und begleitet.
Unser
jetziger Papst hat als Kardinal häufiger von der Reform der Liturgiereform
gesprochen. Was ist damit gemeint? Im Zuge der durch das 2. Vatikanische Konzil
initiierten Liturgiereform haben sich offenkundig Entwicklungen und Tendenzen
eingeschlichen, die so nicht von der Mehrheit der Konzilsväter approbiert
worden wären. Diese sollen durch eine Reform verbessert werden. Andererseits
gilt es aber auch, die guten Aspekte der Liturgiereform zu bewahren, wie z. B.
die oratio fidelium – "Fürbitten" genannt - , die vermehrte Zahl von
Präfationen u. s. w. Welche Aspekte könnte eine solche Reform umfassen? Hier
ein paar kleinere praktische Denkanstöße:
1. Beginn der Messfeier: Das Confiteor ist in jeder Messe zu verwenden; die
Wahlmöglichkeiten beim Bußakt entfallen also. Man könnte darüber hinaus gewisse
Teile des alten Stufengebetes als Vorbereitung auf die Hl. Messe wieder
aufgreifen, die dann in der volkssprachlichen wie auch in der lateinischen
Liturgie zwischen Priester und Gemeinde abwechselnd gebetet oder teilweise
besser noch gesungen werden. So könnte man nach dem Kreuzzeichen etwa die alte
Antiphon „Zum Altare Gottes will ich treten“ wieder einfügen, worauf die
versammelte Gemeinde: „Zu Gott, der mich erfreut von Jugend an“ antwortet. Es
würde sich das Confitor anschließen, mit doppelter Lossprechungsformel
(Misereatur / Indulgentiam) und/oder vielleicht auch dem alten Gebet „Aufer a
nobis, Domine“. Dann wird der Introitus/das Eingangslied gesungen,
währenddessen der Priester an den Altar tritt und diesen im Hochamt inzensiert;
daran könnte sich eine kurze (!) und prägnante Einführung in das Festgeheimnis
des jeweiligen Tages anschließen. Dann geht es mit Kyrie und Gloria weiter.
2. Zelebrationsrichtung: Der Wortgottesdienst, vor allem die Lesungen und das
Evangelium, werden an den Sedilien (Tagesgebet) bzw. am Ambo zum Volke hin
gefeiert. Der eucharistische Teil wird "versus Deum" bzw. "versus Orientem" zelebriert. Beim „Orate
fratres“, das wieder in jeder Messe verpflichtend werden sollte, beim „Pax
Domini“, beim „Ecce, Agnus Deus“ und selbstverständlich beim abschließenden
Segen wendet sich der Zelebrant der Gemeinde zu.
3. Die alten Offertoriumsgebete sollte man als Wahlmöglichkeit in das Missale
übernehmen. Aus persönlichen Gesprächen weiß ich, dass die neuen Gabengebete
für so manchen Anhänger der klassischen Liturgie ein großer Stein des Anstoßes
sind, so dass man hier vielleicht zu einer Versöhnung kommen könnte. An
sämtlichen Hochfesten sollte der Canon Romanus wieder verbindlich werden.
4. Die lateinische Liturgiesprache sollte gefördert werden, ohne natürlich die
Volkssprachen zu verdrängen. An allen Bischofskirchen, Abteien und zentralen
Stadtkirchen, wo in der Regel also mehrere Messen gefeiert werden, ist an Sonn-
und Feiertagen eine Messe in lateinischer Sprache mit gregorianischem Choral
und - wenn möglich - polyphoner Kirchenmusik aller Epochen zu feiern. Eine
ähnliche Regelung exisitiert schon jetzt für die römischen
Patriarchalbasiliken. In sämtlichen Pfarrkirchen sollte wenigstens einmal im
Monat ein lateinisches Hochamt zelebriert werden. Es muss für den Gebrauch der
Gläubigen ein eigenes Buch geschaffen werden, in dem die lateinischen Texte der
Sonn- und Festtage zusammen mit den volkssprachlichen Übersetzungen abgedruckt
sind. Die Missalia müssen ebenfalls generell zweisprachig sein, wie dies
ursprünglich geplant war. Theologen und Priesteramtskandidaten sollten sich im
Rahmen ihres Studiums bedeutend intensiver als bisher mit der Kirchensprache
Latein beschäftigen.
5. Reform der Kirchenmusik im Geiste des gregorianischen Chorals und der
klassischen Vokalpolyphonie. Neben der intensiven Pflege des großen
"thesaurus sacrae musicae" müssen natürlich auch Kompositionen
geschaffen werden, die musikalischen Ausdrucksformen unserer Zeit entsprechen
und die Heiligkeit und sakrale Würde der Liturgie beachten. Rock- und Popmusik
sind hierfür natürlich ungeeignet. Auch neue volkssprachliche Lieder sind zu
komponieren, für die die gleichen Kriterien gelten, sowohl textlich wie auch
musikalisch.
6. Die Liturgie muss verstärkt Gegenstand des Religionsunterrichts und der
gemeindlichen Katechese werden. Liturgie ist nämlich nicht so sehr Ort der
Katechese wie vielmehr deren Ziel. Auch im Theologiestudium sollte die Liturgie
einen größeren Stellenwert erhalten.
Zugegeben: In der heutigen Praxis wäre eine solche Reform der Reform schwierig.
Deshalb müssten sich zunächst kleinere Reformgruppierungen innerhalb der Kirche
bilden, die gleichsam den Boden einer gesamtkirchliche Reform bereiten. Es geht
um Bewußtseinsänderungen, die nicht von heute auf morgen vollzogen werden
können, will man nicht mangelnde Akzeptanz und folglich Nichtbeachtung der
Reform riskieren. Es wird darum gehen, die Heiligkeit der Liturgie und deren
Ausrichtung auf Anbetung und Verherrlichung der göttlichen Majestät allen in
Erinnerung zu rufen.
Eine Reform der Reform müsste sich also langsam, Schritt für Schritt
vollziehen. Ein weiter, ein schwieriger, aber ein gangbarer Weg...
Es ist erstaunlich, wie viele
Videos zum Thema „Usus antiquior“ auf YouTube vorhanden sind. In loser Folge
sollen wenigstens einige vorgestellt werden. Beim heutigen handelt es sich um das
Osterhochamt des Jahres 1941 in der Kirche „Our Lady of
Sorrows“ in Chicago. Kommentator ist kein geringerer als Fulton J. Sheen, ein
bekannter amerikanischer Bischof und einflussreicher katholischer Publizist.
Wenn man die Bilder sieht,
kommt einem die Erfahrung des ehemaligen Präsidenten des deutschen Bauernverbandes,
Constantin Freiherr Heereman von Zuydtwyck, in den Sinn. Als dieser sich in den
USA aufhielt, erschien ihm vieles fremd und ungewohnt. Heimat fand er in der
Kirche, in der die Liturgie genauso gefeiert wurde wie in seiner deutschen
Heimat. Für ihn war das ein Stück Heimat in einer zunächst fremden Umgebung. Die
lateinische Sprache war hier nicht Erfahrung von Fremdheit, sondern im
Gegenteil, Erfahrung von Vertrautheit. Gerade in unserer heutigen Zeit, die sich durch Globalität auszeichnen möchte, ein nicht uninteressanter Gedanke.
Lady Gaga auf der Orgel? So
manchen wird dies an die Unsitte erinnern, vor allem bei Hochzeiten Popmusik zu
spielen, was natürlich zur weltlichen, keineswegs aber zur kirchlichen Feier
gehört. Etwas anderes liegt in dem obigen Video vor. Es handelt sich um eine
Fuge über ein Thema aus einem Stück von Lady Gaga. Dies ist etwas völlig
anderes, als etwa ein Stück von Lady Gaga in der Kirche aufzuführen. Warum? Die
Bearbeitung des Themas ist zunächst orgelgemäß, d. h. man beachtet die Eigenheiten
und Spezifika von (kirchlicher/liturgischer) Orgelmusik. Es wird eine reizvolle Verbindung zweier Welten erreicht,
die sich in gewisser Weise diametral gegenüberstehen: Klassische Orgelmusik und
moderne Popularmusik. Dies erinnert mutatis mutandis an die Praxis,
Messkompositionen den Cantus firmus eines weltlichen Liedes zugrunde zu legen. Hier
wie dort wird das Thema bzw. die Melodie einer „weltliche“, d. h. nicht für den
liturgischen Gebrauch geschaffene Komposition in die Stileigentümlichkeiten
liturgischer Musik eingepasst. Allerdings braucht dies sehr kundige und
versierte Organisten, die begabte Improvisatoren sind.
Im außerliturgischen
Kontext, d. h. in Konzerten, kann man durchaus auch Stücke auf der Orgel
spielen, die für die liturgische Sphäre ungeeignet sind. Eine äußerst
kunstvolle und virtuose Bearbeitung der „Indiana-Jones“-Titelmelodie von einem der begabtesteten Nachwuchskonzertorganisten der Gegenwart, Cameron
Carpenter, mag als Beleg dienen:
Der Klang erinnert teilweise
an die „Kino-Orgel“, die durch die Erfindung des Tonfilms außer Gebrauch
gekommen ist. Solche Bearbeitungen erfordern ungemein virtuose Organisten. Im
Grunde ist die Bearbeitung der „Indiana Jones“-Titelmelodie nichts anderes, als
wenn man ein klassisches Orchesterstück transkribiert. Für den liturgischen
Gebrauch ist dies natürlich ungeeignet, da diese musikalisch übrigens sehr schöne Titelmelodie
gänzlich andere Assoziationen weckt als die Konzentration auf die Liturgie zu fördern. In einem Konzert jedoch - zumal wenn dies in einem Konzertsaal stattfindet -
kann dies ein unerwarterter Farbtupfer oder eine interessante Zugabe sein.
1. Die Diskussion über die
Rechtmäßigkeit der Beschneidung hat vor allem eines deutlich gezeigt: Viele
Mitteleuropäer haben verlernt, in religiösen Kategorien zu denken. Zwar ist die
Beschneidung als religiöses Symbol nicht im christlichen Raum existent, aber
wer sich aufgrund seiner eigenen Religiosität in die Denkungsart einer anderen
Religion einfühlen kann, wird mit dieser Frage anders umgehen.
2. Eine Argumentation, die
ich in diesem Zusammenhang gelesen habe, war folgende: In früheren Zeiten hatte
die Beschneidung durchaus einen praktisch-hygienischen Nutzen, der heute aber
nicht mehr notwendig ist, da zumindest in unseren Breitengraden gänzlich andere
hygienische Voraussetzungen bestehen. Eine solche Sichtweise zeigt, dass man
das Wesen religiöser Symbolik und religiöser Zeremonien nicht recht verstehen
kann oder will.
3. Kein gläubiger Jude würde
die Beschneidung mit hygienischen Vorteilen begründen. Für ihn ist die
Beschneidung Zeichen des Bundes Gottes mit dem Volk Israel (Gen 17, 10-14). Die
Intention ist eine völlig andere. Die Beschneidung ist die Voraussetzung, um
Jude zu werden. Mehr noch: Sie ist ein fester und zentraler Bestandteil
religiöser Identität.
4. Für viele (wie immer
natürlich: nicht alle) Mitteleuropäer sind solche Gedankengänge nur sehr schwer
bis gar nicht nachzuvollziehen. Man neigt dazu, Religion wie andere
kulturell-sozialen Phänomene zu betrachten und zu bewerten. Auf diese Weise
jedoch wird man weder der eigenen noch fremden Religionen gerecht. Ein Grund
für diese religiöse Verstehensschwäche ist bisweilen, dass die eigene
religiöse Identität sehr eingeschränkt oder gar nicht mehr wahrgenommen wird.
5. Dass es selbst innerhalb der
Religionen solche Verstehensschwierigkeiten gibt, zeigt zB. der bekannte
Schweinfurter Pfarrer und Kirchenkritiker Roland Breitenbach auf der Homepage
seiner Pfarrgemeinde St. Michael:
Er erkennt zwar die
Schwierigkeit des Themas an, nimmt die Diskussion jedoch zum Anlass, diese auf
andere Religionen auszudehnen sowie auch zur Kritik an der katholischen Kirche
ausholen zu können:
Es bleibt die Anfrage an die
Religionen, ob sie in ihren alten Mustern sitzen bleiben wollen, selbst wenn
sie noch so sehr durch die Tradition geheiligt sein mögen. Für mich ist das
Beschneidungsverbot durch das Kölner Gericht wie ein großes Fragezeichen hinter
die merkwürdigen religiösen Bräuche aus alter Zeit. Das gilt ebenso für das
Christentum. Es muss sich fragen lassen, ob es nicht auch in überholten
Vorstellungen gefangen bleibt, zum Beispiel was die Spendung der Sakramente
betrifft.
Aus Sicht eines gläubigen
Juden ist die Beschneidung eben gerade nicht überholt, sondern ein tiefer
Ausdruck seines Glaubens und religiösen Identität. Ähnliches gilt mutatis
mutandis auch für die christlichen Sakramente. Die „merkwürdigen Bräuche
aus alter Zeit“ sind für eine Religion nicht der Kringel auf der Sahnetorte,
sondern sind ein zentrales religiöses Element. Sie begleiten den Menschen und
verbinden ihn auf wundersame, im letzten rein rational nicht erfassbaren Art
und Weise mit dem Göttlichen, dem Absoluten.
6. Die dem
Nichtgläubigen so seltsam erscheinenden Riten führen dem Menschen immer wieder
vor Augen, dass Religion sich nicht im Hier und Jetzt erschöpft, sondern eine
offene Dimension besitzt, die in eine andere Wirklichkeit verweist. Religion
strebt himmelwärts. Sie ankert in der Überzeugung, dass diese Welt, die wir
sehen und fühlen können, nicht alles ist. Und dies drückt sie in Riten aus.
7. So gesehen dürfen diese
Riten geradezu den Anstrich des Fremden, des Geheimnisvollen tragen, das in
unsere schnelllebige materialistische Zeit nicht so recht hineinpassen will.
Sie werden so zum Katalysator religiöser Unterweisung, die nötig ist, um sich
in einer Religion zurecht zu finden. Eine solche muss natürlich gewährleistet
sein, sei es in Christentum, Judentum, Islam oder sonst einer Religion.
8. Die Gefahr für eine
Religion besteht genau darin, dass dieses religiöse Wissen nicht mehr tradiert
wird. Dies wird zur Überlebensfrage jeder Religion, nicht nur des Judentums.
Denn durch das Erlernen der Inhalte einer Religion, zu denen natürlich auch
Zeremonien und heilige Handlungen gehören, bildet sich die religiöse Identität
heraus. Im Kontext einer pluralen Gesellschaft bedeutet dies: Nur wenn ich
selbst eine religiöse Identität besitze, dann werde ich auch die von anderen
Menschen achten und verstehen können.
In diesem Video
kann man deutlich sehen und spüren, inwiefern „Sacropop“ und ein der diesem
inhärenten Zwanglosigkeit entsprechendes Verhalten ein Fremdkörper an Heiliger
Stätte ist. Wenn man die gewaltige, himmelwärtsstrebende Architektur des Kölner
Doms bedenkt, die ein Abbild des himmlischen Jerusalems sein will, wenn man die
schönen Kirchenfenster im Hintergrund sieht: wie banal wirkt vor diesem
Hintergrund dann die Popmusik im Stil der 70er Jahre, wie banal wirkt auch der
Text des Liedes. Dieser kommt nahezu völlig kunstlos daher, er verwendet
größtenteils die Sprache und auch die Worte, die man auch auf dem Marktplatz
hören kann: „skeptisch“, „Gosse“ u. a. Gehobene, über die Alltagssprache hinausgehende
Worte oder auch Elemente einer Bildersprache, ein typisches Merkmal religiöser
Sprache, sucht man vergeblich. An deren Stelle tritt die „Banalität des
Augenblicks“. Das aufdringliche, die Gottesdienstteilnehmer animierende „Singt
mit“ passt wohl eher zu Mickie Krause auf Mallorca als in den Kölner Dom. Die
Erfahrung des Anderen, des Heiligen ist in solch einer Atmosphäre wohl nur sehr
schwer möglich. Man spürt förmlich die Gegensätzlichkeit zweier Welten, die man
mit Gewalt zusammenführen will, weil man glaubt, dass junge Menschen nur noch
die Sprache der modernen Unterhaltungsmusik und Spaßgesellschaft verstehen
können. Müsste man hier in Katechese und Religionsunterricht nicht Kontrapunkte
setzen? Oder haben die Verantwortlichen bereits kapituliert? Warum bemüht man
sich häufig offenbar gar nicht mehr, jungen Menschen die Liturgie der Kirche
samt ihren Einrichtungen und Konzeptionen zu vermitteln, und bietet ihnen
häufig schlechte „Abzieh-" bzw. eher "Zerrbilder“ der katholischen Liturgie? Man
stelle sich gleiches in einer orthodoxen Kirche oder aber auch in einer
Synagoge oder Moschee vor. Unvorstellbar? Wieso aber ist dies dann in
katholischen Kirchen offenbar kein Problem?
Dieser Ausschnitt
ist dem Film „Der Kardinal“ entnommen, der die Lebensgeschichte eines fiktiven
amerikanischen Kardinals erzählt. Es handelt sich um die Priesterweihe. Der
Regisseur, Otto Preminger, hat sich mit der Weiheliturgie intensiv beschäftigt
und den zentralen Ritus, die Bindung und Salbung der Hände, exemplarisch
ausgewählt. Vorangestellt wurde die namentliche Nennung der Weihekandidaten mit
der jeweiligen Antwort „Adsum“ und ein kurzer Ausschnitt aus der
Allerheiligenlitanei. Auch auf liturgische Details wurde großer Wert gelegt,
sowohl in Hinblick auf die liturgische Gewandung wie auch auf die Kirchenmusik.
Ein gelungenes Beispiel für die Darstellung des usus extraordinarius im Film.
Deutlich spürt man auch die Faszination des Rituellen, eine Kategorie, die wir
heutigen langsam aber sicher wiederentdecken.
Diesmal improvisiert M. Chapuis nicht im Stil
des norddeutschen, sondern französischen Barock. Es handelt sich meist nicht um
große ausgedehnte Formen, sondern eher kurze Stücke, die in der Liturgie alternatim
verwendet wurden, d. h. Wechsel zwischen Choralgesang und Orgel. Diese Praxis
wurde häufig in der Messliturgie verwendet, so dass man von Orgelmessen spricht.
Die Stücke werden meist nach ihrer Registrierung benannt: Plein jeu (volles
Werk), Cromehorn en taille, Recit de nasard etc. Bekannte Komponisten dieser
Gattungen sind F. Couperin, J. F. Dandrieu, L. Marchand u. v. a. Bei der Orgel
handelt es sich um diejenige der Hofkirche von Versailles, ein traditioneller Ort
großer Kultur- und Musikpflege.
1. Dieses Psalmwort mag heute Anlass sein, einmal an die vielen
Sakristane zu denken, die sich tagaus tagein für das Haus Gottes einsetzen und
dort ihren Dienst tun. Sie wirken im Hintergrund und doch ist ihre Tätigkeit
etwas, was ganz und gar nicht im Hintergrund bleibt. Das Ergebnis ihrer Arbeit
sieht man nämlich im liebevollen und würdigen Schmuck einer Kirche. Diese
Aufgabe ist keine unbedeutende, sondern im Zusammenspiel mit Kirchenmusikern
und Klerus sorgen sie für eine würdige und dem Heiligen entsprechende Liturgie,
ja sind für diese mitverantwortlich. Sie bereiten gleichsam den „heiligen Boden
bzw. Raum“, auf dem sich die feierlichen Zeremonien entfalten können. Wie
wichtig eigentlich ihre Aufgabe ist, kann man noch deutlicher sehen, wenn man
sich den historischen Hintergrund verdeutlicht, vor dem wir heutigen oftmals
mit Schulterzucken und Unverständnis stehen, der aber das kirchliche Leben der
letzten 45 Jahre durchaus geprägt hat, nicht unbedingt zum besseren.
2. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil meinte man an so
manchen (gottlob nicht an allen!) Orten, auf Kirchenschmuck entweder ganz zu
verzichten oder ihn zumindest stark zu reduzieren. Diesem nachkonziliaren
„Bildersturm“, der sich übrigens mit keinem Text des Konzils auch nur irgendwie
rechtfertigen lässt, sind viele Paramente, Statuen, ja ganze Altäre zum Opfer gefallen.
Die praktische Folge war, dass viele Kirchen plötzlich ähnlich grau und
langweilig aussahen wie sich der Alltag in einem Betonhochhaus der 70er Jahre
gestaltete. Der Priester trug anstelle feierlicher, mit viel Kunstfertigkeit
hergestellter Kaseln graue, kunstlose Mantelalben, deren Stoff eher dem eines
„Kartoffelsackes“ ähnelte. Das regelrechte „Leerräumen“ vieler Kirchen tat sein
übriges hinzu. Es wäre ein interessantes und bestimmt auch erschütterndes
Unterfangen, einmal die Zerstörung von kirchlichen Kunstwerken nach dem Zweiten
Vatikanischen Konzil für jeweils einzelne Gegenden zu dokumentieren.
3. Die Intention solcher Aktionen war es, gleichsam
sinnenfällig zu dokumentieren, dass mit der Liturgiereform ein Bruch erfolgt
ist, dass die Kirchengeschichte sich in eine vor- und nachkonziliare Periode
gliedert. Das, was man mit der Epoche vor dem Konzil identifizierte, wurde
bestenfalls in die Sakristeischränke verbannt, schlimmstenfalls besser gleich
vernichtet. Durch die Abschaffung von Altardecken mit Spitzenbesatz glaubten so
manche Kleriker, endlich in der Moderne angekommen zu sein. Ein solcher äußerer
wie aber oftmals auch innerer Bruch mit der Vergangenheit ist der komplette
Gegenentwurf zur nicht nur von Papst Benedikt präferierten „Hermeneutik der
Kontinuität“, die das Konzil in den Strom der Überlieferung einordnet und vor
allem einen solchen „Geist des Konzils“ in Frage stellt, der bemüht wird, wenn
man den Wortlaut des Konzils mehr oder weniger elegant aushebeln will. Die
Liturgie, die Gestaltung der Kirchen, die Kirchenmusik etc. bieten übrigens
sehr gute „Studienmöglichkeiten“, wenn man sich den Unterschied beider Ansätze
– Hermeneutik der Kontinuität versus „Geist des Konzils“ – einmal vor Augen
führen will.
4. Warum Kirchenschmuck, Kirchenarchitektur, Paramentik
etc. nicht bloß der „Zuckerkringel auf der Sahnetorte“ sind, sondern eine
wichtige Funktion in der Glaubensverkündigung besitzen, muss ein andermal
ausführlicher dargelegt werden. Gewisse Ansätze für diese Frage kann man der
Abhandlung über die Kirchenmusik auf dieser Seite entnehmen (http://humanitas-christiana.blogspot.de/2012/06/die-identitatskrise-der-kirchenmusik.html).
5. Um auf den Eingang
zurückzukommen: Allen, die sich für das „Haus des Herrn“ einsetzen, soll einmal
herzlich gedankt werden. Es ist für sie nicht immer einfach, für den Schmuck
und die Ausgestaltung einer Kirche zu sorgen, wenn etwa der verantwortliche
Kleriker ein Anhänger der „Hermeneutik des Bruches“ ist. Hier gilt es im Rahmen
des Möglichen in einem besonnenen Vorgehen für die Weltoffenheit und
Sinnlichkeit des Katholischen einzutreten und nicht zu zaudern, die Schönheit
des katholischen Glaubens den Gläubigen sichtbar zu machen. Auch wenn die Medien
heute oftmals den Katholizismus in die Ecke von Obskurantismus drücken wollen, ist
er gerade das nicht, sondern zeichnet sich im guten Sinne des Wortes „traditionell“
durch Sinnenfreude und Liebe zum Guten, Wahren und Schönen aus. Und genau dies
gilt es, heute wieder erfahrbar zu machen, gerade auch denen, die an die Stelle
der Fülle die Leere und Kunstlosigkeit stellen wollen.
Der Begriff „Klampfenkatholizismus“ ist eine
ironische und kritische Bezeichnung für die Verwendung der Gitarre als
Begleitinstrument für den Gemeindegesang sowie die meist hiermit verbundene liturgische "Bastelmentalität", die zur "Freestyleliturgie" führt. Hierbei muss man aber zwei Ebenen
unterscheiden:
Zum einen ist die Gitarre in größeren Räumen
wie Kirchen nicht unbedingt geeignet zur Begleitung des Gemeindegesangs. Gitarre
wie auch Laute sind eher für die Begleitung einzelner Sänger oder kleinerer
Gruppen angemessen. Hinzu kommt jedoch entscheidend, dass die Gitarre als bewusstes Element einer Desakralisierung eingesetzt wird, was die musikalische
Faktur der von ihr begleiteten Lieder unterstützt. Es entsteht mehr eine „Lagerfeueratmosphäre“
als die einer kultisch-liturgischen Handlung. Die Verwendung der Gitarre in der
Liturgie ist ein Phänomen bzw. ein Relikt der 60er und 70er Jahre, als Protest
gegen eine traditionell orientierte Hochliturgie mitsamt der überkommenen
Kirchenmusik und der Orgel und entspringt so sicher dem Geist der "theologischen 68er".
Zum anderen dürfen aber solche kritischen
Bemerkungen zur Art der liturgischen Verwendung der Gitarre dieses Instrument nicht
generell abwerten, wie es der Terminus „Klampfe“ nahezulegen scheint. Die Gitarre
sowie die ihr verwandte Laute sind Instrumente, die sich hervorragend auch für
anspruchsvolle polyphone Musik eignen und ihre eigene Schönheit entfalten
können. Als kleines Beispiel hier eine Fuge von J. S. Bach:
Ebenso
ist vor allem die Laute ein typisches Continuo-Instrument, das sehr gut für die
Begleitung einer Arie oder Sonate für Soloinstrument geeignet ist. Auch hier ein kleines Beispiel:
Die Beispiele zeigen, dass Gitarre und Laute eine ganz andere Dimension besitzen, als es das Gitarrenspiel in so manchem Jugendgottesdienst erahnen lassen würde. Wenn sich also auch die Gitarre aufgrund ihres eher leiseren Klangs nicht als Begleitinstrument des Gemeindegesangs in einer Kirche eignet, könnte sie in einem Ensemble oder auch zur Begleitung eines Sologesanges, etwas einem Lied aus Bachs Schemelligesangbuch, durchaus Verwendung finden, auch wenn man hier der Orgel als d e m kirchlichen Instrument meist den Vorzug gibt.
Insgesamt muss man aber festhalten, dass die
Art und Weise des "liturgischen Gitarrenspiels" dem Ansehen dieses
Instruments eigentlich erheblich schadet, impliziert man hier doch eher die
"Klampfe" am Lagerfeuer, die man auch mit geringerem Übungsaufwand zu
beherrschen glaubt, wonach es sich in manchem "modernem" Gottesdienst
dann auch anhört. Dies wird aber dem Instrument in keinster Weise gerecht.
Somit scheint die Gitarre auch ein "verkanntes" Musikintrument zu
sein, das seine Funktion als "Katalysator der Desakralisierung" überhaupt
nicht verdient hat.
Das Hochfest
Fronleichnam (von mittelhochdeutsch: vrône lîcham „des Herren Leib“)
wurde erstmals 1246 im Bistum Lüttich gefeiert und 1264 von Papst Urban IV.,
der zuvor Erzdiakon in Lüttich war, durch die Bulle „Transiturus de hoc
mundo“ zum Fest der Gesamtkirche erhoben. Festinhalt ist das feierliche
Gedächtnis der Einsetzung des Altarssakramentes, welches auch am Gründonnerstag
begangen wird, dort allerdings stärker von der bevorstehenden Passion geprägt
und somit verhaltener.
Die Anregung zum
Fronleichnamsfest soll auf eine Vision der später heilig gesprochenen
Augustiner-Chorfrau Juliana von Lüttich im Jahre 1209 zurückgehen. Diese habe
in einer Vision den Mond gesehen, der an einer Stelle verdunkelt war. Christus
habe ihr erklärt, dass der Mond das Kirchenjahr bedeute, der dunkle Fleck aber
das Fehlen eines eigenen Festes des Altarssakraments, auf dessen Einführung sie
hinwirken solle.
Die Gebete und Hymnen
für Messfeier und Stundengebet werden dem großen Theologen Thomas von Aquin
zugeschrieben; viele von ihnen sind auch als deutsche Kirchenlieder bekannt
geworden: Pange lingua (Preise Zunge das Geheimnis), Adoro te devote
(Gottheit tief verborgen) oder die berühmte Sequenz Lauda Sion salvatorem
(Deinem Heiland, Deinem Lehrer).
Mit einer feierlichen
Sakramentsprozession wurde das Fest erstmals im Jahre 1277 in Köln begangen. Danach hat sich dieser Brauch
in ganz Deutschland und auch darüber hinaus ausgebreitet.
Der heutige
Festtag macht uns bewusst, dass wir in all unserem Reden von Gott niemals das
Mysterium Gottes je völlig einholen können. Diese Unbegreiflichkeit Gottes
bringt diese folgende kleine Geschichte zum Ausdruck:
Einst ging
der hl. Augustinus - so wird erzählt - am Meer spazieren und dachte über das
Geheimnis der Dreifaltigkeit nach. Da bemerkte er ein Kind, das mit seinem
kleinen Eimer Wasser aus dem Meer in einen kleinen, abgegrenzten Bereich
schöpfte. „Was machst du da?“ - „Ich möchte das Meer in meinen Teich
schöpfen!“. Da lachte Augustinus: „Das wird dir nie gelingen!“. Da richtete
sich das Kind auf und sagte: „Ich mache es genauso wie du: Du willst mit deinem
kleinen Verstand das unergründliche Geheimnis des dreieinigen Gottes verstehen!“
Gott ist der
immer Größere, der Andere, der sich dem menschlichen Begreifenwollen im letzten immer
wieder entzieht. Menschliche Rede ist raum-zeitlich gebundene Rede, die eine
Welt jenseits dieser irdischen Welt, die Transzendenz, die zeitlose Welt, nur
sehr schwer zum Ausdruck bringen kann. Daher ist religiöse Sprache eine sehr
bilderreiche und poetische Sprache, die im wahrsten Sinne des Wortes
Unanschauliches in die Anschaulichkeit von Symbolen und Bildern überführt.
Auch wenn,
wie uns das Vierte Laterankonzil lehrt, die Unähnlichkeit jeder Aussage über
Gott größer ist als die Ähnlichkeit, ist Gott dennoch im christlichen Glauben
nie nur der ganz Ferne, da er durch die Offenbarung in Jesus Christus mit uns
Menschen in Beziehung tritt. Um es mit den Worten Jochen Kleppers zu sagen:
Und doch bleibt er nicht ferne, ist jedem von
uns nah. Ob er gleich Mond und Sterne und Sonnen werden sah, mag er dich doch
nicht missen in der Geschöpfe Schar, will stündlich von dir wissen und zählt
dir Tag und Jahr.
Es ist diese
Spannung, die den christlichen Glauben zutiefst prägt. Wir können die Gedanken
Gottes nicht nachdenken, wir können ihn selbst nicht begreifen, wir wissen
aber, dass wir Gott als seine Geschöpfe nicht gleichgültig sind, weil er selbst durch die Propheten, dann in Jesus Christus zu uns gesprochen hat. Diese Beziehung zwischen dem unsagbaren großen Gott und dem kleinen Mensch als seinem Geschöpf spiegelt auch Psalm 8 wider:
2Herr, unser Herrscher, wie gewaltig ist dein
Name auf der ganzen Erde; über den Himmel breitest du deine Hoheit aus.
3Aus
dem Mund der Kinder und Säuglinge schaffst du dir Lob, deinen Gegnern zum
Trotz; deine Feinde und Widersacher müssen verstummen.
4Seh ich den Himmel, das Werk deiner Finger,
Mond und Sterne, die du befestigt:
5Was
ist der Mensch, dass du an ihn denkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner
annimmst?
6Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als
Gott, hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt.
7Du hast ihn als Herrscher eingesetzt über das
Werk deiner Hände, hast ihm alles zu Füßen gelegt:
8All die Schafe, Ziegen und Rinder und auch
die wilden Tiere,
9die Vögel des Himmels und die Fische im Meer,
alles, was auf den Pfaden der Meere dahinzieht.
10Herr, unser Herrscher, wie gewaltig ist dein
Name auf der ganzen Erde!
Der obige Ausschnitt stammt aus dem Film „True
Confessions“ aus dem Jahre 1981. Man kann über den Zusammenschnitt aus
liturgischer Sicht sicherlich geteilter Meinung sein, da der Eindruck entsteht,
dass auf die Elevation des Kelches ein „Dominus vobiscum“ folgt. Das ist
sicherlich etwas ungeschickt gemacht. Darüber hinaus ist es aber schon sehr
berührend. Und man wird nicht leugnen können, dass dieses „Exzerpt“ die
Schönheit der Formen einer klassischen Liturgie widerspiegelt. Diese ist –
historisch betrachtet – „von dieser Welt“ und gleichzeitig ist sie es auch
nicht…
1. Gegenwärtig befindet sich an nicht
wenigen Orten die katholische Kirchenmusik in einer tiefgehenden Krise. Im
deutschsprachigen Raum scheint die Situation im Vergleich zu Italien,
Frankreich, Spanien u. a. noch akzeptabel zu sein, da es noch eine ganze Reihe
hochqualifizierter Kirchenmusiker gibt, die ihren Dienst mit viel Engagement
und Einsatz verrichten, auch wenn hier Sparmaßnahmen vieles in Frage zu stellen
drohen. In Italien zB., ja sogar in Rom selbst, kann man es häufig beobachten,
dass zwar eine Orgel in der Kirche vorhanden ist, diese aber schweigt. Sie wird
dann gleichsam zu einer Art „Sinnruine“, die den kundigen Kirchenbesucher mit
Trauer und einer leisen Sentimentalität erfüllt. „Sic transit gloria mundi“ –
„So vergeht der Welten Ruhm“ mag man angesichts stummer Orgeln bzw. ihrer
Substitution durch Gitarrenmusik denken.
2. Als Indiz einer Identitätskrise katholischer
Kirchenmusik soll heute das Augenmerk auf einen hiermit eng verbundenen
Problembereich gelegt werden, nämlich die Verwendung moderner
Unterhaltungsmusik in der Liturgie. Dies geschieht längst nicht mehr nur in
eigens abgehaltenen Jugendmessen, sondern auch in „normalen“ Messliturgien
sowie „Großveranstaltungen“, wie zB. bei Katholikentagen, scheint die
Verwendung von „Sacro-Pop“ nahezu unumgänglich zu sein. Auf diese Weise möchte
man vor allem junge Menschen ansprechen, offenbar in der Annahme, dass diese im
Grunde nur noch durch Formen von Pop- und Rockmusik erreichbar sind. Auf den
ersten Blick scheint ein solches Unterfangen durchaus plausibel zu sein.
Unterliegt nicht auch die Kirchenmusik Entwicklungsprozessen? Was man vor 100 oder
50 Jahren für angemessen hielt, muss es nicht mehr in unserer Zeit sein. Hat
denn nicht jede Zeit ihre ganz eigenen Ausdrucksformen? Entspricht die
Verwendung populärer Unterhaltungsmusik nicht sogar der vom Konzil betriebenen
Öffnung zur Welt? Solche oder ähnliche Argumente kann man immer wieder hören,
so dass es notwendig erscheint, sich einmal eingehender mit diesem
Problemkomplex zu beschäftigen.
3. Der Ausgangspunkt unserer Überlegungen
über das Wesen katholischer Kirchenmusik soll die Tatsache sein, dass nichts in
der Liturgie der Kirche Selbstzweck ist, sondern alles Verweischarakter besitzt.
Die je eigene Schönheit des Kirchengebäudes, die herrlichen Kultgewänder und
heiligen Geräte, der wohlduftende Weihrauch, der Kirchenschmuck und so auch die
Kirchenmusik sind in einen höheren Zusammenhang eingeordnet und haben im
wesentlichen eine zweifache Aufgabe: Zum einen dienen sie der Verherrlichung und
des Lobpreises der unermesslichen Größe und Majestät Gottes und sind somit so
etwas wie eine - natürlich begrenzte - Antwort des Menschen auf die Erfahrung eines
Gottes, der alles menschliche Begreifen um ein vielfaches übersteigt. Zum
anderen wollen diese Dinge den Gläubigen helfen, gleichsam diese materielle
Welt zu übersteigen, alle Erdenschwere hinter sich zu lassen und die Herzen zu
der höheren, geistigen und ewigen Wirklichkeit des Heiligen zu erheben. Dies
könnte man mit dem Churer Theologen und Philosophen Heinrich Reinhardt das
Prinzip der „sacrifera sacralitas“ nennen, eine Atmosphäre der Sakralität, die uns
Menschen eine Erfahrung des Heiligen schenkt, die über diese materielle
Realität hinausweist (http://www.katholik.com/sakral.htm). In der Schönheit und im Glanz der kirchlichen Liturgie spiegelt sich
im Hier und Jetzt ein wenig von der alles überstrahlenden göttlichen Schönheit
wider, die irdische Liturgie ist gleichsam ein Vorkosten der himmlischen
Liturgie und mit dieser also verbunden, wie es besonders in der östlichen Tradition verstanden
wird und wie es auch vom Zweiten Vatikanum in SC 8 formuliert worden ist:
In
der irdischen Liturgie nehmen wir vorauskostend an jener himmlischen Liturgie
teil, die in der heiligen Stadt Jerusalem gefeiert wird, zu der wir pilgernd
unterwegs sind, wo Christus sitzt zur Rechten Gottes, der Diener des Heiligtums
und des wahren Zeltes.
4. Wie aber kann speziell die Kirchenmusik
dies alles erreichen? Sie wirkt auf die Seele des Menschen ein und löst in ihr
Affekte aus, wodurch sie den Menschen bei der Transzendierung des Irdischen unterstützt.
Wie weinte ich bei den Hymnen und Gesängen auf Dich, mächtig bewegt vom
Wohllaut dieser Lieder deiner Kirche. Die Weisen drangen an mein Ohr, und die
Wahrheit flößte sich ins Herz, und inniges Gefühl wallte über: Die Tränen flossen,
und mir war wohl bei ihnen.
So beschreibt Augustinus als mediterraner Mensch
in den Confessiones seine Empfindungen, die in ihm durch den
Kirchengesang in Mailand ausgelöst worden sind. Tiefe Ergriffenheit breitet
sich also im Herzen derer aus, die diese Hymnen hören; es wäre wert, solche
Zeugnisse über die Wirkung der musica sacra durch die Jahrhunderte zu
sammeln, man würde beträchtliches finden. Ganz unterschiedliche Emotionen
können in der Seele geweckt werden, alle aber hingeordnet auf das Heilige und
Ewige. Ein heiliger Ernst, fern aller Zerstreung durch das Irdische soll das
Innere des Menschen erfüllen: Mächtig-brausende Orgeltöne z.B. lassen uns etwas
von der Größe und Majestät Gottes spüren und künden von einer anderen Wirklichkeit,
leisere und ruhige Orgelmusik regt eher zur Meditation und Besinnung an. Der
erhabene Gregorianische Choral in seiner großen Strenge und „trunkenen
Nüchternheit“ zeigt dem Menschen, dass er nun gleichsam die Welt mit ihrer Geschäftigkeit
und Diesseitsorientierung, also alles das, was vor dem Heiligtum ist, verlässt
und den Bereich Gottes betritt, das Heiligtum. Er erinnert uns immer wieder
auch an den Anspruch, den Gott an unser aller Leben stellt, und dem wir so oft
nicht entsprechen. Ähnliches gilt etwa für die erhabene klassische
Vokalpolyphonie eines Palestrina, Orlando di Lasso und für viele andere große
und kleine Meister aller Jahrhunderte.
5. Da es um die Transzendierung des
Menschen geht, dürfte es verständlich sein, dass sich die musica sacra
zB. von der Musik, die man in einem Kaufhaus oder einer Unterhaltungssendung in
Radio und Fernsehen hören kann, unterscheiden muss. Hinzu kommt, dass diese
Musik völlig andere Wurzeln als die abendländische Kirchenmusik hat. Die
moderne Rockmusik etwa besitzt diese im letzten in der afrikanischen
Stammesmusik. Diese ist größtenteils auf die evocatio ausgerichtet, die
Beschwörung von Göttern oder Dämonen, christliche Kirchenmusik auf die
adoratio, die Anbetung Gottes. Aber auch in unserer Zeit, wo die Anfänge der
modernen Popmusik kaum mehr im Bewusstsein der Massen sein dürften, besitzt sie
eine andere Ausrichtung: Durch ihre eigenen musikalischen Ausdrucksformen, ihre
schnellen Rhythmen, aber auch ihre Texte will die moderne Unterhaltungsmusik
Zerstreuung und Ablenkung bieten, sie will Geschichten des alltäglichen Lebens,
von Liebe und Leidenschaft, von Freude und Kummer erzählen, sie will je nachdem
auch Protest ausdrücken oder einfach nur als Musik zum Tanz auffordern. Pop-
und Rockmusik sind mit ihren musikalischen Ausdrucksformen naturgemäß nicht auf
das Ewige ausgerichtet, was ja auch gar nicht ihr eigener Anspruch ist, sondern
mehr auf den Augenblick, auf eine gewisse Gefälligkeit, auf eine unmittelbare
Eingängigkeit. Wohlgemerkt: Diese Musik besitzt zweifelsohne ihre Berechtigung
im Leben der Menschen, das steht außer Frage; sie sollte jedoch nicht mit
Schlagzeug, E-Gitarre und hämmernden Rhythmen in den heiligen Raum eindringen.
Machen wir die Probe auf Exempel: Nur sehr wenige würden wohl auf die Idee
kommen, auf einer Geburtstagsparty durchgängig Gregorianischen Choral oder
Palestrina erklingen zu lassen. Wenn im Fernsehen übrigens unsere schönen Dome,
Kirchen und Klöster vorgestellt werden, hört man im Hintergrund sehr oft
Gregorianik oder klassische Vokalpolyphonie. Dies ist eine ganz natürliche und
nahe liegende Assoziation.
6. Für die Kirchenmusik ergibt sich heute
eine zweifache Aufgabe: Zum einen muss der große thesaurus musicae sacrae
intensiv gepflegt werden, was wiederum auch das Zweite Vatikanische Konzil in
SC 114 betont:
Der Schatz der Kirchenmusik möge mit größter Sorge bewahrt und gepflegt
werden. Die Sängerchöre sollen nachdrücklich gefördert werden, besonders an den
Kathedralkirchen. Dabei mögen aber die Bischöfe und die übrigen Seelsorger
eifrig dafür Sorge tragen, daß in jeder liturgischen Feier mit Gesang die
gesamte Gemeinde der Gläubigen die ihr zukommende tätige Teilnahme auch zu
leisten vermag.
Doch ebenso muss diese großartige Tradition
in unserer Zeit lebendig und adäquat fortgeführt werden. Nicht nur zur
Bewahrung, sondern auch zur Weiterentwicklung ist die Kirchenmusik aufgerufen. Auch
unsere Zeit muss ohne jeden Zweifel einen würdigen Beitrag zur musica sacra
in all ihren Bereichen leisten. Kriterium jeglicher Neuschöpfung muss aber sein,
ob die beiden eingangs beschriebenen Intentionen der Kirchenmusik erfüllt sind,
die Verherrlichung und Anbetung Gottes und die Transzendierung des Menschen.
Hierzu dürfen nur wirklich geeignete Ausdrucksformen unserer Zeit Verwendung
finden, die jedoch die Gläubigen, denen die Eigenarten moderner Satztechnik
nicht vertraut sind, auch nicht verschrecken sollten. So wird man etwa auf eine
nicht zu extensive Verwendung von Dissonanzen achten müssen. Ebenso wird es
wichtig sein, die große Tradition des Kirchenliedes angemessen weiterzuführen.
Hierbei kommt es neben gediegener musikalischer Komposition auch auf Texte an,
die poetisch gehobenes Niveau besitzen. Um anzudeuten, welche Wege hier
beschritten werden sollten, sei stellvertretend zB. Jochen Klepper genannt. Als
kleines Hörbeispiel habe ich das berühmte Gedicht von Dietrich Bonhoeffer „Von
guten Mächten“ in der Vertonung von Otto Abel angeführt. Es ist kein Zufall,
dass die Melodie aus dem Jahre 1959, gleichsam also vom Vorabend der 60er Jahre stammt.
Denn in der evangelischen wie in der katholischen Kirche haben die 60er und
70er Jahre dazu geführt, dass viele Zeitgenossen mit „Neuem Geistlichen Lied“
nahezu ausschließlich Lieder im Sacro-Pop-Stil mit Schlagzeug und E-Bass verbinden,
eine Entwicklung, die es zu korrigieren gilt, ja mehr noch, ein schmerzender
Bruch, den es zu heilen gilt.
7. Fürst
Wladimir von Kiew hatte einst Gesandte zu den Deutschen, Polen, Griechen und
Bulgaren mit der Prüfung beauftragt, welche Religion am besten für sein Reich
sei. Als
diese aus Konstantinopel zurückkamen, waren sie überwältigt von der Erhabenheit
und Schönheit der Liturgie, die sie in der Hagia Sophia erlebten, so dass sie
verwundert fragten, ob sie noch auf Erden oder schon im Himmel seien. Größeren
Glanz könne man auf Erden unmöglich finden. Fürst Wladimir entschied sich
daraufhin für die byzantinische Kirche und ließ sich im Jahre 988 taufen. Die
Schönheit der Transzendenz bereits ahnungsweise in dieser Welt erfahrbar zu
machen, ist eine grundlegende Aufgabe der Kirchenmusik. Wo übrigens hätten sich
die Gesandten aus Kiew wohl gewähnt, wenn sie an einem Gottesdienst mit Pop-,
Rock- oder gar Technomusik teilgenommen hätten?
Ein faszinierendes
Beispiel hoher Improvisationskunst. Michel Chapuis improvisiert hier im
"stylus phantasticus" des norddeutschen Barocks in der Tradition
Buxtehudes, Lübecks, Böhms. Toccatenartige Passagen mit schnellen, virtuosen
Läufen lösen sich mit fugierten Abschnitten ab. Es fallen einem
unwillkürlich die Worte des greisen Jan Adam Reincken ein, die er an Johann Sebastian
Bach richtete, als er diesen über den Choral „An Wasserflüssen Babylon“
improvisieren hörte; „Ich dachte, diese Kunstwäre ausgestorben. Ich sehe aber,
dass sie in Ihnen noch lebt“.
P.S.: Die
Improvisation beginnt 00:40. Zuvor werden Bilder der Kirche Saint-Louis en l'Ile in Paris gezeigt.
Im
vorliegenden Beispiel wechselt sich jeweils eine polyphone Bearbeitung, der
jeweils der gregorianische Cantus firmus zugrunde liegt, mit einer
gregorianisch gesungenen Strophe ab. Das gregorianische "Veni creator
spiritus" zu Beginn dient gleichsam als Intonation, vergleichbar dem vom
Zelebranten intonierten "Gloria in excelsis Deo", dem auch ein
polyphoner Satz folgen kann.
Es
handelt sich um einen der bekanntesten Hymnen der Lateinischen Liturgie.
Gemeinhin schreibt man ihn Rabanus Maurus (780-856) zu. Er dient als Hymnus der
Pfingstvesper und wird auch bei Weihen etc. gesungen. Im deutschen Kirchenlied
ist er die textliche Grundlage für "Komm, Schöpfer Geist".
In feierlichen
Papstmessen wird das Evangelium sowohl Lateinisch als auch Griechisch gesungen.
Dieser Brauch, der schon in den Ordines Romani bezeugt ist, dürfte aus der Zeit
stammen, in der es in Rom eine nicht kleine griechischsprachige Gemeinde gab.
Heutzutage ist dieser Brauch ein Symbol dafür, dass die Botschaft des
Evangeliums bis an alle Enden der Erde gelangt. Latein und Griechisch sind die
beiden wichtigsten Weltsprachen der Kaiserzeit und Spätantike und symbolisieren
Ost und West. Zum anderen kann man es auch als Symbol für die große Nähe von
römischer und byzantinischer Kirche sehen, die trotz vieler Spannungen in der
Geschichte auch und vielleicht gerade heute besteht und auch so von immer mehr
Vertretern der Kirchen empfunden wird. Schließlich ist der Dialog mit den
Ostkirchen ein großes und wichtiges Anliegen unseres Papstes.
Beginnen wollen wir unsere kleine
Sprachgeschichte heute mit der griechischen Sprache als der
Originalsprache des NT, weshalb ihr in der christlichen Tradition eine besondere
Dignität zukommt. Das Griechische ist mit dem Lateinischen zusammen die wichtigste Kultursprache des antiken Europas und beide Sprachen sind für eine intensive Auseinandersetzung mit europäischer Kultur und Geistesgeschichte unabdingbare Voraussetzungen.
Die frühesten Sprachzeugnisse des Griechischen
stammen aus Mykenischer Zeit, gehören also dem 14. – 12. Jh. v. Chr. Diese sind
in einer Silbenschrift verfasst, die auch als Linear B bekannt ist. Sie wurde
erst im 20. Jh. entziffert. Die charakteristische Schrift der Griechen, die sie
bis auf den heutigen Tag verwenden, verdankt sich der Übernahme und Adaptation des
phönizischen Alphabets gegen 800 v. Chr. Nun steht einer Herausbildung der
großen klassischen Literatur nichts mehr entgegen. Die führende Stadt ist
hierbei im 5. und 4. Jh. Athen, so dass das attische Griechisch eine besondere
Bedeutung erhält. Stellvertretend seien hier Namen wie Thukydides, Platon, Xenophon
und Aristophanes genannt.
Beim Griechischen des NT handelt es sich allerdings
nicht um das klassische Griechisch, sondern das sog. Koine-Griechisch (=
Gemeinsprache), das durch die Feldzüge Alexanders des Großen und die gewaltige
Ausbreitung griechischer Kultur entstanden ist. Die verschiedenen Dialekte des
Griechischen (Attisch, Jonisch, Dorisch etc.) werden zu einer einzigen Sprachform
vereinigt, wobei das Attische gewissermaßen die Funktion einer „Leitsprache“ übernimmt.
Griechisch wurde im Hellenismus zu einer
Weltsprache im Sinne einer Verkehrs- und Standardsprache, die von Südfrankreich
(griechische Kolonien waren dort zB. Nizza und Marseille) bis nach Indien und
ins heutige Afghanistan gesprochen wurde. Im römischen Reich, das die
hellenistischen Diadochenreiche ablöste (Diadochen sind die Nachfolger Alexanders
des Großen), waren viele gebildete Römer zweisprachig. Kaiser Marc Aurel
schreibt seine „Selbstbetrachtungen“ nicht lateinisch, sondern griechisch,
vermutlich in dem Empfinden, dies sei die der Philosophie angemessene Sprache. Ab
dem 4. Jh. geht die Zweisprachigkeit Im Westen immer mehr zurück. Augustinus
zB. berichtet in seinen Confessiones, wie mühsam er die griechische
Sprache erlernte. Personen wie der große Philosoph und Staatsmann Boethius, der
als Lateiner im 6. Jh. hervorragend Griechisch beherrschte, sind in dieser Zeit
schon große Ausnahmen.
Anders sieht die Situation im Osten des
römischen Reiches aus. Das Lateinische hatte sich hier nie wirklich durchsetzen
können, so dass es nicht verwunderlich ist, dass die Umgangssprache im Byzantinischen
Reich das Griechische war. Die Verwaltungs- und Rechtssprache ist zwar bis Kaiser
Justinian Lateinisch, aber die lingua franca des Ostens war schon immer
das Griechische. Die Schriftsteller hatten sich etwa seit dem 1. Jh. v Chr. von
der Koine abgewendet und dem Vorbild der klassischen attischen Autoren des 5. /
4. vorchristlichen Jahrhunderts zugewendet. Man nennt dies auch „Attizismus“.
Wer etwas auf sich hielt, schrieb so wie Xenophon. Diese attizistische Tendenz
wird auch im Byzantinischen Reich gepflegt, so dass immer mehr eine Diglossie,
d. h. ein Auseinandertreten von gesprochener Volks- und Schriftsprache eintritt,
die für die griechische Sprache charakteristisch bleiben sollte.
Nach der türkischen Eroberung Griechenlands
und Konstantinopels (1453) halten die Griechen an ihrer Sprache fest, nehmen
aber viele Lehnworte aus dem Türkischen auf. Nach dem Ende der türkischen
Herrschaft 1823 gibt es Bestrebungen, zur klassischen Sprache der Antike
zurückzukehren. Allerdings wählt man als Schriftsprache eine dem antiken Griechisch
nahestehende Sprachform, die allerdings nicht völlig identisch mit diesem ist.
Man bezeichnet sie als die „Reinsprache“ (Kathareuousa) gegenüber der „Volkssprache“
(Demotike). Erstere ist die offizielle Sprache Griechenlands gewesen und wurde obligatorisch
im Bildungs- und Rechtswesen verwendet. Erst 1976 wurde in Griechenland die
Vorherrschaft der Kathareuousa zugunsten der Volkssprache aufgegeben. Neben
einer noch heute in Kathareuousa erscheinenden Zeitung (Hestia) pflegt die orthodoxe
Kirche in ihren offiziellen Verlautbarungen die alte Hochsprache.
In ihrer Liturgie verwendet sie weder Kathareuousa noch Demotike,
sondern die alte Koine, so dass man mit guten Griechisch-Kenntnissen eigentlich alles
verstehen kann, wenn auch nicht vom Hören, so denn doch mit Textvorlage. Denn
die Aussprache ist auch in der Liturgie die neugriechische, die sich von unserer Aussprache
an Schulen und Universitäten beträchtlich unterscheidet.
Abschließend noch die kleine Textprobe Apg 2, 1-4: