1. Wenn man auf eine als überflüssig
empfundene Frage, deren Antwort von vornherein klar erscheint, eine spaßig
gemeinte rhetorische Gegenfrage erwidern will, sagt man bisweilen: „Ist der
Papst katholisch?“ Es mag überraschend und vielleicht auch befremdlich
erscheinen, dass es Zeitgenossen gibt – wenn auch nur eine sehr geringe Zahl –
die auf diese Frage im Brustton der Überzeugung „Nein“ antworten würde. Man
nennt sie „Sedisvakantisten“, da sie der Meinung sind, dass seit 1958 der Stuhl
Petri unbesetzt, d. h. sedisvakant sei. Warum? Weil Johannes XXIII. durch die
Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils und dessen Beschlüsse zum
Häretiker geworden sei, und ein solcher könne nicht rechtmäßiger Papst sein. Da
seine Nachfolger allesamt das Zweite Vatikanum nicht widerrufen hätten, seien
eben alle Päpste von Paul VI. bis zu Benedikt XVI. nur Scheinpäpste gewesen. Da
die Änderungen der Weiheformulare die nach diesen erteilten Weihen ungültig
gemacht hätten, seien sämtliche sakramentale Handlungen der katholischen
Kirche, die meist abschätzig als „Vatikanum II-Sekte“ bezeichnet wird,
ebenfalls null und nichtig. Es gibt sogar Gruppierungen und Kleinstgruppen, die
dem Problem der empfundenen Sedisvakanz dadurch begegnen wollen, indem sie aus
ihren Reihen selbst einen Papst wählen. So kommt es, dass es derzeit eine ganze
Reihe von „Gegenpäpsten“ gibt, auf deren namentliche Exkommunikation von seiten
des Vatikans meistens verzichtet wird, da ihre Anhängerschaften über den
Promillebereich nicht hinausgehen und ihr Widerhall in der Öffentlichkeit
praktisch nicht spürbar ist.
2. Ein reichlich skuriles Weltbild, werden
Sie sagen. Es scheint der Versuch zu sein, das eigene Missempfinden an den
nachkonziliaren Entwicklungen dahingehend zu lösen, dass man der als
verantwortlich angesehenen Hierarchie die Kompetenz, ja mehr noch deren
„Katholischsein“ abspricht und so die Legitimation erhält, als Vertreter der
„Wahren katholischen Kirche“ eigene Strukturen aufzubauen, in deren Rahmen die
Kirche vor ihrem Untergang gerettet werden kann.
3. Interessant ist nun, dass sich solche
Gedanken nicht ausschließlich am extremen rechten Flügel der Kirche (und
darüber hinaus) zu finden scheinen, sondern auch in dessen linkem ideologischen
Widerlager. In einer Presseaussendung hat der bekannte Theologe Hans Küng den
Papst nachdrücklich vor einer Wiedereingliederung der Priesterbruderschaft St. Pius
X. gewarnt (http://www.swp.de/ulm/nachrichten/politik/FREMDE-FEDER-HANS-KUeNG-Papst-provoziert-Ungehorsam;art4306,1473550).
Der gegenwärtige Papst drohe dann selbst zum Schismatiker zu werden und die
Folge hiervon sei:
Ein schismatischer Papst verliert gemäß derselben Kirchenrechtslehre sein Amt. Zumindest kann er nicht auf Gehorsam rechnen. Papst Benedikt würde also die schon überall wachsende Bewegung des "Ungehorsams" gegenüber einer Hierarchie, die dem Evangelium ungehorsam ist, fördern. Für das schwere Zerwürfnis und den Unfrieden, den er damit in die Kirche hineintrüge, hätte er allein die Verantwortung.
Auch wenn hier der Papst nach Hans Küng durch
eine etwaige Rekonziliation besagter Bruderschaft nicht zum Häretiker, sondern
"nur" zum Schismatiker zu werden drohe, würde er sein Amt, zumindest
aber den Anspruch auf Gehorsam verlieren. Man kann hier sehr schön die
Ähnlichkeit der Argumentationsstrukturen erkennen: Der Papst tut etwas, was
der eigenen Überzeugung – hier die Rekonziliation, dort die Beschlüsse des
Zweiten Vatikanums – zuwiderläuft, so dass er seinen Anspruch auf den Stuhl
Petri verliert. In beiden Fällen dient dieses Denkmuster als Legitimation für
den eigenen Ungehorsam gegenüber päpstlichen Entscheidungen und Positionen, der gleichsam zur Notwendigkeit, zum Gebot der Stunde wird.
4. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang,
dass Hans Küng in seiner Argumentation offenbar aus Denkmuster zurückgreift,
die ihm sonst fern liegen mögen. So behauptet er im ersten Abschnitt seiner
Pressemitteilung, die von Erbischof Lefebvre im Jahre 1988 gespendeten
Bischofsweihen seien ungültig. Es ist interessant, dass Hans Küng zB. in seinem
Einsatz für die Abendsmahlsgemeinschaft zwischen der katholischen Kirche und
den reformatorischen Gemeinschaften Kategorien von „Gültig-Ungültig“
ausklammert, ja ausklammern muss, wird doch das Abendmahl der Reformation aufgrund des sogenannten
„defectus ordinis“, d. h. der fehlenden Weihevollmacht der evangelischen
Amtsträger, katholischerseits nicht anerkannt. Bemerkenswert ist noch ein
zweiter Aspekt: So unterschiedliche Ideale, Kirchenbilder und Intentionen die Vertreter
sedisvakantistischer Positionen und Hans Küng im einzelnen auch vertreten mögen, in
der Quintessenz ihrer Ideenwelt scheinen sie sich zu treffen, eine fürwahr
unfreiwillig komisch anmutende „coincidentia oppositorum“ (Zusammenfall der Gegensätze).
Ah, quam bene convenit me minus hora in America hanc quaestionem disputavisse!
AntwortenLöschenDarf man hier auch auf Deutsch kommentieren?
AntwortenLöschenAch, ich machs einfach mal:
Schöner Beitrag. Wie im Politischen treffen sich hier Linke und Rechte in den Extremen wieder und sind sich im Grunde gleich.
Des Weiteren ein herzliches Willkommen in der Blogoezese.
In der Tat...sehr bemerkenswert... ;-)
AntwortenLöschenAuch von mir ein herzliches Willkommen!
Fast alle Argumente der Sedisvakantisten werden hier verschwiegen oder verzerrt dargestellt. Ebenso wird verschwiegen, daß es allein auf der Ebene der Priester seit 1965 etwa 10.000 Sedisvakantisten gibt bzw. gegeben hat, daß der Sedisvakantismus von 100en excellenten Theologen unwidersprochen begründet wurde und daß das Bischofsamt im Sedisvakantismus in apostolischer Sukzession weitergegeben wird, während es in der Konzilskirche mit absoluter Sicherheit erloschen ist.
AntwortenLöschenDa es erloschen ist, kann es dort (Sekte des II. Vatikanums) auch nie und nimmer wieder aufleben. Der aktuelle Papstdarsteller ist nicht einmal geweihter Priester (wie es Ratzinger noch war) und ist wie man seit 1 Jahr täglich hören kann, etwa so katholisch wie Erich Homecker.
Was dieses Problem mit rechts und links zu tun haben soll, bleibt das Geheimnis des Blog-Autors. Sedisvakantist kann man im Übrigen nur sein, wenn man katholisch ist, was man von Küng ganz gewiß nicht sagen kann. Daß Kirchenfeinde wie Küng binnen der Kirche ein Widerlager zu orthodox Gläubigen bilden, ist eine höchst alberne These, nahe der kompletten Debilität.