Dienstag, 13. November 2012

Gedanken beim Betreten einer Kirche

Wer eine Kirche betritt, spürt intuitiv: das ist ein geheiligter Raum, ausgesondert aus der Unruhe und Betriebsamkeit der Straßen, den Zwecken von Kommerz und Konsum entzogen, geheiligt vielmehr, zunächst durch die Konsekration, geheiligt aber auch durch die vielen Beter, die hier verweilt haben, bittend, dankend, klagend, lobend. Geheiligt durch unzählige Taufen, zahllose Beichten, Trauungen, Firmungen, geheiligt durch Volksmissionen, Andachten, Prozessionen, Stillmessen und feierliche Hochämter. Wer einen solchen Raum betritt, spürt, wie die Steine und Bilder all diese Gebete über Jahrzehnte oder Jahrhunderte hinweg in sich quasi aufgesogen haben und zugleich als Gebetsatmosphäre wieder ausströmen. Wer einen solchen Raum betritt, spürt: Ich stehe nicht allein vor Gott, vor mir hat schon eine unermessliche Schar von Betern vor Gott gestanden und gekniet, ich trete ein in einen Raum des Gebetes, der mir vorgegeben ist, der mich umschließt und umfängt, mein persönliches Beten trägt und begleitet.


Michael Fiedrowicz

Sonntag, 11. November 2012

Die "Reform der Reform" - Wie könnte sie aussehen?

Unser jetziger Papst hat als Kardinal häufiger von der Reform der Liturgiereform gesprochen. Was ist damit gemeint? Im Zuge der durch das 2. Vatikanische Konzil initiierten Liturgiereform haben sich offenkundig Entwicklungen und Tendenzen eingeschlichen, die so nicht von der Mehrheit der Konzilsväter approbiert worden wären. Diese sollen durch eine Reform verbessert werden. Andererseits gilt es aber auch, die guten Aspekte der Liturgiereform zu bewahren, wie z. B. die oratio fidelium – "Fürbitten" genannt - , die vermehrte Zahl von Präfationen u. s. w. Welche Aspekte könnte eine solche Reform umfassen? Hier ein paar kleinere praktische Denkanstöße:

1. Beginn der Messfeier: Das Confiteor ist in jeder Messe zu verwenden; die Wahlmöglichkeiten beim Bußakt entfallen also. Man könnte darüber hinaus gewisse Teile des alten Stufengebetes als Vorbereitung auf die Hl. Messe wieder aufgreifen, die dann in der volkssprachlichen wie auch in der lateinischen Liturgie zwischen Priester und Gemeinde abwechselnd gebetet oder teilweise besser noch gesungen werden. So könnte man nach dem Kreuzzeichen etwa die alte Antiphon „Zum Altare Gottes will ich treten“ wieder einfügen, worauf die versammelte Gemeinde: „Zu Gott, der mich erfreut von Jugend an“ antwortet. Es würde sich das Confitor anschließen, mit doppelter Lossprechungsformel (Misereatur / Indulgentiam) und/oder vielleicht auch dem alten Gebet „Aufer a nobis, Domine“. Dann wird der Introitus/das Eingangslied gesungen, währenddessen der Priester an den Altar tritt und diesen im Hochamt inzensiert; daran könnte sich eine kurze (!) und prägnante Einführung in das Festgeheimnis des jeweiligen Tages anschließen. Dann geht es mit Kyrie und Gloria weiter.


2. Zelebrationsrichtung: Der Wortgottesdienst, vor allem die Lesungen und das Evangelium, werden an den Sedilien (Tagesgebet) bzw. am Ambo zum Volke hin gefeiert. Der eucharistische Teil wird "versus Deum" bzw. "versus Orientem" zelebriert. Beim „Orate fratres“, das wieder in jeder Messe verpflichtend werden sollte, beim „Pax Domini“, beim „Ecce, Agnus Deus“ und selbstverständlich beim abschließenden Segen wendet sich der Zelebrant der Gemeinde zu.

3. Die alten Offertoriumsgebete sollte man als Wahlmöglichkeit in das Missale übernehmen. Aus persönlichen Gesprächen weiß ich, dass die neuen Gabengebete für so manchen Anhänger der klassischen Liturgie ein großer Stein des Anstoßes sind, so dass man hier vielleicht zu einer Versöhnung kommen könnte. An sämtlichen Hochfesten sollte der Canon Romanus wieder verbindlich werden.

4. Die lateinische Liturgiesprache sollte gefördert werden, ohne natürlich die Volkssprachen zu verdrängen. An allen Bischofskirchen, Abteien und zentralen Stadtkirchen, wo in der Regel also mehrere Messen gefeiert werden, ist an Sonn- und Feiertagen eine Messe in lateinischer Sprache mit gregorianischem Choral und - wenn möglich - polyphoner Kirchenmusik aller Epochen zu feiern. Eine ähnliche Regelung exisitiert schon jetzt für die römischen Patriarchalbasiliken. In sämtlichen Pfarrkirchen sollte wenigstens einmal im Monat ein lateinisches Hochamt zelebriert werden. Es muss für den Gebrauch der Gläubigen ein eigenes Buch geschaffen werden, in dem die lateinischen Texte der Sonn- und Festtage zusammen mit den volkssprachlichen Übersetzungen abgedruckt sind. Die Missalia müssen ebenfalls generell zweisprachig sein, wie dies ursprünglich geplant war. Theologen und Priesteramtskandidaten sollten sich im Rahmen ihres Studiums bedeutend intensiver als bisher mit der Kirchensprache Latein beschäftigen.

5. Reform der Kirchenmusik im Geiste des gregorianischen Chorals und der klassischen Vokalpolyphonie. Neben der intensiven Pflege des großen "thesaurus sacrae musicae" müssen natürlich auch Kompositionen geschaffen werden, die musikalischen Ausdrucksformen unserer Zeit entsprechen und die Heiligkeit und sakrale Würde der Liturgie beachten. Rock- und Popmusik sind hierfür natürlich ungeeignet. Auch neue volkssprachliche Lieder sind zu komponieren, für die die gleichen Kriterien gelten, sowohl textlich wie auch musikalisch.

6. Die Liturgie muss verstärkt Gegenstand des Religionsunterrichts und der gemeindlichen Katechese werden. Liturgie ist nämlich nicht so sehr Ort der Katechese wie vielmehr deren Ziel. Auch im Theologiestudium sollte die Liturgie einen größeren Stellenwert erhalten.

Zugegeben: In der heutigen Praxis wäre eine solche Reform der Reform schwierig. Deshalb müssten sich zunächst kleinere Reformgruppierungen innerhalb der Kirche bilden, die gleichsam den Boden einer gesamtkirchliche Reform bereiten. Es geht um Bewußtseinsänderungen, die nicht von heute auf morgen vollzogen werden können, will man nicht mangelnde Akzeptanz und folglich Nichtbeachtung der Reform riskieren. Es wird darum gehen, die Heiligkeit der Liturgie und deren Ausrichtung auf Anbetung und Verherrlichung der göttlichen Majestät allen in Erinnerung zu rufen.

Eine Reform der Reform müsste sich also langsam, Schritt für Schritt vollziehen. Ein weiter, ein schwieriger, aber ein gangbarer Weg...