Donnerstag, 26. Juli 2012

Lady Gaga auf der Orgel?



Lady Gaga auf der Orgel? So manchen wird dies an die Unsitte erinnern, vor allem bei Hochzeiten Popmusik zu spielen, was natürlich zur weltlichen, keineswegs aber zur kirchlichen Feier gehört. Etwas anderes liegt in dem obigen Video vor. Es handelt sich um eine Fuge über ein Thema aus einem Stück von Lady Gaga. Dies ist etwas völlig anderes, als etwa ein Stück von Lady Gaga in der Kirche aufzuführen. Warum? Die Bearbeitung des Themas ist zunächst orgelgemäß, d. h. man beachtet die Eigenheiten und Spezifika von (kirchlicher/liturgischer) Orgelmusik. Es wird eine reizvolle Verbindung zweier Welten erreicht, die sich in gewisser Weise diametral gegenüberstehen: Klassische Orgelmusik und moderne Popularmusik. Dies erinnert mutatis mutandis an die Praxis, Messkompositionen den Cantus firmus eines weltlichen Liedes zugrunde zu legen. Hier wie dort wird das Thema bzw. die Melodie einer „weltliche“, d. h. nicht für den liturgischen Gebrauch geschaffene Komposition in die Stileigentümlichkeiten liturgischer Musik eingepasst. Allerdings braucht dies sehr kundige und versierte Organisten, die begabte Improvisatoren sind.  
Im außerliturgischen Kontext, d. h. in Konzerten, kann man durchaus auch Stücke auf der Orgel spielen, die für die liturgische Sphäre ungeeignet sind. Eine äußerst kunstvolle und virtuose Bearbeitung der „Indiana-Jones“-Titelmelodie von einem der begabtesteten Nachwuchskonzertorganisten der Gegenwart, Cameron Carpenter, mag als Beleg dienen:


Der Klang erinnert teilweise an die „Kino-Orgel“, die durch die Erfindung des Tonfilms außer Gebrauch gekommen ist. Solche Bearbeitungen erfordern ungemein virtuose Organisten. Im Grunde ist die Bearbeitung der „Indiana Jones“-Titelmelodie nichts anderes, als wenn man ein klassisches Orchesterstück transkribiert. Für den liturgischen Gebrauch ist dies natürlich ungeeignet, da diese musikalisch übrigens sehr schöne Titelmelodie gänzlich andere Assoziationen weckt als die Konzentration auf die Liturgie zu fördern. In einem Konzert jedoch - zumal wenn dies in einem Konzertsaal stattfindet -  kann dies ein unerwarterter Farbtupfer oder eine interessante Zugabe sein.

Mittwoch, 25. Juli 2012

Die Beschneidung und der Verlust religiösen Fühlens in Mitteleuropa

1. Die Diskussion über die Rechtmäßigkeit der Beschneidung hat vor allem eines deutlich gezeigt: Viele Mitteleuropäer haben verlernt, in religiösen Kategorien zu denken. Zwar ist die Beschneidung als religiöses Symbol nicht im christlichen Raum existent, aber wer sich aufgrund seiner eigenen Religiosität in die Denkungsart einer anderen Religion einfühlen kann, wird mit dieser Frage anders umgehen.

2. Eine Argumentation, die ich in diesem Zusammenhang gelesen habe, war folgende: In früheren Zeiten hatte die Beschneidung durchaus einen praktisch-hygienischen Nutzen, der heute aber nicht mehr notwendig ist, da zumindest in unseren Breitengraden gänzlich andere hygienische Voraussetzungen bestehen. Eine solche Sichtweise zeigt, dass man das Wesen religiöser Symbolik und religiöser Zeremonien nicht recht verstehen kann oder will.

3. Kein gläubiger Jude würde die Beschneidung mit hygienischen Vorteilen begründen. Für ihn ist die Beschneidung Zeichen des Bundes Gottes mit dem Volk Israel (Gen 17, 10-14). Die Intention ist eine völlig andere. Die Beschneidung ist die Voraussetzung, um Jude zu werden. Mehr noch: Sie ist ein fester und zentraler Bestandteil religiöser Identität.

4. Für viele (wie immer natürlich: nicht alle) Mitteleuropäer sind solche Gedankengänge nur sehr schwer bis gar nicht nachzuvollziehen. Man neigt dazu, Religion wie andere kulturell-sozialen Phänomene zu betrachten und zu bewerten. Auf diese Weise jedoch wird man weder der eigenen noch fremden Religionen gerecht. Ein Grund für diese religiöse Verstehensschwäche ist bisweilen, dass die eigene religiöse Identität sehr eingeschränkt oder gar nicht mehr wahrgenommen wird.

5. Dass es selbst innerhalb der Religionen solche Verstehensschwierigkeiten gibt, zeigt zB. der bekannte Schweinfurter Pfarrer und Kirchenkritiker Roland Breitenbach auf der Homepage seiner Pfarrgemeinde St. Michael:
Er erkennt zwar die Schwierigkeit des Themas an, nimmt die Diskussion jedoch zum Anlass, diese auf andere Religionen auszudehnen sowie auch zur Kritik an der katholischen Kirche ausholen zu können: 
Es bleibt die Anfrage an die Religionen, ob sie in ihren alten Mustern sitzen bleiben wollen, selbst wenn sie noch so sehr durch die Tradition geheiligt sein mögen. Für mich ist das Beschneidungsverbot durch das Kölner Gericht wie ein großes Fragezeichen hinter die merkwürdigen religiösen Bräuche aus alter Zeit. Das gilt ebenso für das Christentum. Es muss sich fragen lassen, ob es nicht auch in überholten Vorstellungen gefangen bleibt, zum Beispiel was die Spendung der Sakramente betrifft.
Aus Sicht eines gläubigen Juden ist die Beschneidung eben gerade nicht überholt, sondern ein tiefer Ausdruck seines Glaubens und religiösen Identität. Ähnliches gilt mutatis mutandis auch für die christlichen Sakramente. Die „merkwürdigen Bräuche aus alter Zeit“ sind für eine Religion nicht der Kringel auf der Sahnetorte, sondern sind ein zentrales religiöses Element. Sie begleiten den Menschen und verbinden ihn auf wundersame, im letzten rein rational nicht erfassbaren Art und Weise mit dem Göttlichen, dem Absoluten.  

 6. Die dem Nichtgläubigen so seltsam erscheinenden Riten führen dem Menschen immer wieder vor Augen, dass Religion sich nicht im Hier und Jetzt erschöpft, sondern eine offene Dimension besitzt, die in eine andere Wirklichkeit verweist. Religion strebt himmelwärts. Sie ankert in der Überzeugung, dass diese Welt, die wir sehen und fühlen können, nicht alles ist. Und dies drückt sie in Riten aus.

7. So gesehen dürfen diese Riten geradezu den Anstrich des Fremden, des Geheimnisvollen tragen, das in unsere schnelllebige materialistische Zeit nicht so recht hineinpassen will. Sie werden so zum Katalysator religiöser Unterweisung, die nötig ist, um sich in einer Religion zurecht zu finden. Eine solche muss natürlich gewährleistet sein, sei es in Christentum, Judentum, Islam oder sonst einer Religion.

8. Die Gefahr für eine Religion besteht genau darin, dass dieses religiöse Wissen nicht mehr tradiert wird. Dies wird zur Überlebensfrage jeder Religion, nicht nur des Judentums. Denn durch das Erlernen der Inhalte einer Religion, zu denen natürlich auch Zeremonien und heilige Handlungen gehören, bildet sich die religiöse Identität heraus. Im Kontext einer pluralen Gesellschaft bedeutet dies: Nur wenn ich selbst eine religiöse Identität besitze, dann werde ich auch die von anderen Menschen achten und verstehen können. 

Zwei Sphären, die wohl nicht kompatibel sind...



In diesem Video kann man deutlich sehen und spüren, inwiefern „Sacropop“ und ein der diesem inhärenten Zwanglosigkeit entsprechendes Verhalten ein Fremdkörper an Heiliger Stätte ist. Wenn man die gewaltige, himmelwärtsstrebende Architektur des Kölner Doms bedenkt, die ein Abbild des himmlischen Jerusalems sein will, wenn man die schönen Kirchenfenster im Hintergrund sieht: wie banal wirkt vor diesem Hintergrund dann die Popmusik im Stil der 70er Jahre, wie banal wirkt auch der Text des Liedes. Dieser kommt nahezu völlig kunstlos daher, er verwendet größtenteils die Sprache und auch die Worte, die man auch auf dem Marktplatz hören kann: „skeptisch“, „Gosse“ u. a. Gehobene, über die Alltagssprache hinausgehende Worte oder auch Elemente einer Bildersprache, ein typisches Merkmal religiöser Sprache, sucht man vergeblich. An deren Stelle tritt die „Banalität des Augenblicks“. Das aufdringliche, die Gottesdienstteilnehmer animierende „Singt mit“ passt wohl eher zu Mickie Krause auf Mallorca als in den Kölner Dom. Die Erfahrung des Anderen, des Heiligen ist in solch einer Atmosphäre wohl nur sehr schwer möglich. Man spürt förmlich die Gegensätzlichkeit zweier Welten, die man mit Gewalt zusammenführen will, weil man glaubt, dass junge Menschen nur noch die Sprache der modernen Unterhaltungsmusik und Spaßgesellschaft verstehen können. Müsste man hier in Katechese und Religionsunterricht nicht Kontrapunkte setzen? Oder haben die Verantwortlichen bereits kapituliert? Warum bemüht man sich häufig offenbar gar nicht mehr, jungen Menschen die Liturgie der Kirche samt ihren Einrichtungen und Konzeptionen zu vermitteln, und bietet ihnen häufig schlechte „Abzieh-" bzw. eher  "Zerrbilder“ der katholischen Liturgie? Man stelle sich gleiches in einer orthodoxen Kirche oder aber auch in einer Synagoge oder Moschee vor. Unvorstellbar? Wieso aber ist dies dann in katholischen Kirchen offenbar kein Problem?

Sonntag, 22. Juli 2012

Der Außerordentliche Usus im Film II




Dieser Ausschnitt ist dem Film „Der Kardinal“ entnommen, der die Lebensgeschichte eines fiktiven amerikanischen Kardinals erzählt. Es handelt sich um die Priesterweihe. Der Regisseur, Otto Preminger, hat sich mit der Weiheliturgie intensiv beschäftigt und den zentralen Ritus, die Bindung und Salbung der Hände, exemplarisch ausgewählt. Vorangestellt wurde die namentliche Nennung der Weihekandidaten mit der jeweiligen Antwort „Adsum“ und ein kurzer Ausschnitt aus der Allerheiligenlitanei. Auch auf liturgische Details wurde großer Wert gelegt, sowohl in Hinblick auf die liturgische Gewandung wie auch auf die Kirchenmusik. Ein gelungenes Beispiel für die Darstellung des usus extraordinarius im Film. Deutlich spürt man auch die Faszination des Rituellen, eine Kategorie, die wir heutigen langsam aber sicher wiederentdecken.